Die deutsche Band "Epidermis" veröffentlichte ihr erstes (und lange Zeit einziges; erst 1990 gab es einen Nachfolger namens "Feel Me") Album 1977. Leider schweigt sich das Booklet der CD-Veröffentlichung - zumindest meiner WMMS-Ausgabe - sowohl über das Veröffentlichungsjahr als auch die Band-Besetzung aus. An Platzgründen kann es wohl nicht gelegen haben, da neben den englischen Originaltexten der Songs auch noch Platz für deutsche Übersetzungen/Nachdichtungen und Bandphotos war. Die obigen Angaben habe ich im Usenet aufgestöbert, sie sind also ohne Gewähr. Textlich beschäftigen sich die ersten vier Songs in Konzeptalbum-Manier mit der Entstehung des Universums: "now look at god, try to put yourself into his situation, you can do, you can, your brain enables you to see like god does, god is like you, he's able to smell, hear, feel and see the non-exisitent surroundings." Der fünfte Song ist ein - auch musikalisch - normalerer und wenig überzeugender Verflossene-Liebe-Song ("Wacht ze birds in ze sky, time will be passing by").
"Epidermis" werden gerne als "Gentle Giant"-Klon bezeichnet; warum, hört man ziemlich schnell: die Band versucht immer wieder ähnlich wie GG, die Instrumente in quasi-unabhängigen Linien miteinander zu verweben, statt eine klare Hierarchie von Lead- und Begleitstimmen aufzubauen. Ähnliches versucht man im Gesang: fast immer laufen mehrere versetzte Stimmen gegeneinander, wobei der Band des öfteren eine sehr schöne breite Räumlichkeit gelingt, die den im Text vorgegeben Bildern ganz gut entspricht. Allerdings halten sich "Epidermis" nicht an irgendwelche klassischen Formmuster (Fuge, Kanon), wie "Gentle Giant" das gerne taten. Überhaupt fehlen deren klassische Bezüge, die Anleihen bei mittelalterlicher und Renaissance-Musik, hier fast völlig. Daher würde ich nicht von einem 'Klon' sprechen, sondern lediglich von starker Inspiration. "Epidermis'" sind wesentlich harscher und düsterer (als "german angst" hat das mal jemand sehr schön bezeichnet) als die Vorbilder, ihr Sound ist stark geprägt von elektrischen Instrumenten (auch ganz gelegentliche kurze Ausflüge auf akustischer Gitarre und Blockflöten ändern daran nichts) wie Clavinet, Hammond, E-Gitarre. Wenn schon mit "Gentle Giant" verglichen werden muss, dann vielleicht mit den ähnlich scharfen, düsteren "Proclamation/Valedictory" von "The Power And The Glory".
Die instrumentalen Stellen überzeugen mich nicht immer, insbesondere der Schlagzeuger ist (wie der GGs...) leider am eher plumpen Ende des Zeug schlagenden Spektrums anzuordnen. Aber die oft vier-stimmigen Vokalstellen sind eigentlich immer sehr nett anzuhören; und auch z.B. die rastlos drängende Hektik grosser Teile des Titelstücks hat schon was für sich. Die ersten vier Nummern haben einige wirklich nette Abschnitte, in denen die Polyphonieexperimente gut funktionieren, andere Teile wirken weniger überzeugend; der Gesamteindruck ist eigentlich durchaus positiv, da hier die "Gentle Giant"-Einflüsse schön mit einer eigenständigen, leicht paranoiden Stimmung verbunden werden. Mit einem eleganteren Schlagzeuger und einem weniger prätentiösen Text würde die Wertung allerdings noch etwas hochgehen können. Daher von mir eine eingeschränkte Reinhörempfehlung für Freunde des GG-Sounds. Ich mag's.
Quelle: Babyblaue-Seiten.de (Udo Gerhards) |