Die Entstehung des Elektronik-Duos SEESSELBERG verdankt sich einer sicher einzigartigen Symbiose: Während WOLF SEESSELBERG (geb. 1941) als Bühnenbildassistent am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und der Staatsoper arbeitete, wurde er 1960 mit der Uraufführung von Birger Blomdahls elektronischen Experimenten in der Oper "Aniara" konfrontiert. Für WOLF SEESSELBERG war dies eine Initialzündung und der Anfang einer intensiven, auch später beruflichen Beschäftigung mit experimenteller Musik, mit Film und Malerei. Während WOLF SEESSELBERG sich auf einer künstlerischen-intellektuellen Ebene diesen Phänomenen näherte, tat sein knapp zehn Jahre jüngerer Bruder ECKART SEESSELBERG (geb. 1952) etwas anderes: Er entdeckte die Elektronik aus einem technischen Interesse heraus. Waren es erst einfache Walkie-Talkies, die er als 11-jähriger bastelte, so tüftelte er nun, von seinem älteren Bruder ermuntert, an ersten elektronischen Klangerzeugern. Als 13-jähriger begann er 1965 mit den ersten, noch simplen Vorstufen zu dem, was im Laufe der nächsten Jahre zu einem einzigartigen Synthesizer werden sollte, der schließlich mit Minimalen finanziellen Mitteln 1970 fertiggestellt wurde. Dieser erste selbstentwickelte und gebaute Synthesizer ist es, der auf "Synthetik 1" zu hören ist. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Geräten jener Zeit hat der auf Platte eingesetzte Synthesizer keinen Speicher; er musste daher nicht vorprogrammiert werden, sondern die Klänge konnten über einen der vielen Drehknöpfe eingestellt und spontan erzeugt werden. Die Aufnahmen zu "Synthetik 1" sind 1973 auf einer von den Brüdern SEESSELBERG selbstveröffentlichten und auf 1.000 Exemplare limitierten LP erschienen. Entstanden sind die Stücke zwischen 1971 bis 1973, wobei mit dem Stück "Phoenix" auch die elektronische Vertonung des gleichnamigen Films vertreten ist, dessen Besonderheit darin besteht, daß die "Bilder" direkt auf das Filmmaterial geritzt oder gemalt wurden. Wie die meisten Elektroniker dieser Zeit, die nicht aus dem Umfeld der jeweiligen gutausgerüsteten elektronischen Studios, wie z.B. dem des WDR kamen, fanden die Konzerte bzw. Performances vor allem in Kunstakademien, Galerien oder in Kunsthallen statt. So bestand auch das Publikum vor allem aus Akademiestudenten, aufgeschlossenen Professoren, Galeristen und einigen wenigen neugierigen Freaks von außerhalb. Nicht nur SEESSELBERG, auch Conrad Schnitzler, Kluster/Cluster, ja selbst die frühen Kraftwerk spielten hauptsächlich vor einem solchen Publikum. Auch die Käufer der selbstverlegten LP kamen vorwiegend aus diesem Umfeld, denn die LP wurde hauptsächlich nach solchen Konzerten verkauft - kein Wunder also, dass die LP und Musik von SEESSELBERG ein Geheimtip blieben. [Norbert Schilling, April 2001] |