Daß wir erklärte Fans des schwäbischen Labels Blue Rose sind, das sich seit Jahren um amerikanischen Rootsrock zwischen Country, No Depression und zuletzt auch zunehmend Gitarrenpop verdient gemacht hat, brauchen wir eigentlich nicht mehr weiter zu erklären. Nun präsentiert man uns mit der ELECTRIC FAMILY aber tatsächlich mal etwas ganz anderes, nämlich ein Kollektiv mehr oder weniger legendärer deutscher Musiker, von denen sich manche allerdings schon nachhaltig in den Annalen des Deutschrocks eingeschrieben haben.
Unter Federführung von TOM REDECKER (THE PERC MEETS THE HIDDEN GENTLEMAN) versammelten sich diverse Musiker, die u.a. schon bei so legendären 70er Jahre-Bands wie GROBSCHNITT, TARAS BULBA oder LOKOMOTIVE KREUZBERG gespielt haben, aber auch aus den Achtzigern sind etliche dabei, die Bands wie die FEHLFARBEN, LOLITAS, ÄRZTE und PHILLIP BOAS VOODOOCLUB überlebt haben. Das zunächst lose konzipierte Projekt entstand im Sommer 96, als sogar AMON DÜÜL II-Fossil DIETER SERFAS dabei war, und spielte bereits ein Jahr später das erste Album ein, das seinerzeit auf Strange Ways erschien.
Bei dieser bunten Mischung an Beteiligten ist natürlich die entscheidende Frage, in welche musikalische Richtung das Ganze denn nun geht, und hier hilft das bewährte Blue Rose-Etikett dann auch kaum mehr weiter, denn die ELECTRIC FAMILY spielt eine schwer von den 70er Jahren geprägte Variante psychedelischen Gitarrenrocks, die sowohl nach deutschen Produktionen jener Epoche klingt, aber auch durchaus den hippiesken Sound der amerikanischen Westcoast wieder aufleben läßt. Und in ihren besten Momenten hebt die ELECTRIC FAMILY dann auch gänzlich ab und läßt sich auf epischem Gitarrenfluß in Richtung britischen Progressive-Rock und teilweise auch satten Space-Rock treiben.
Das Album klingt also ausgesprochen altmodisch und das ist durchaus so gewollt: Über allem weht der lange nicht mehr so deutlich verspürte Wind ewigen Hippietums. So wird passenderweise auch ein Spoken Words-Beitrag von NEIL YOUNG in das dreiteilige Epos (wie gesagt: Prog-Rock!) 'BETANCURIA' eingearbeitet, das sich dann schließlich mit spacigen Keyboards immer mehr in Richtung HAWKWIND entwickelt.
In diesen Momenten zeigt sich die Familie von ihrer stärksten Seite und läßt auch kleinere Schwächen wie den leider etwas uncharismatischen Gesang unbedeutend erscheinen. Und überhaupt: wer schätzt schon AMON DÜÜL oder HAWKWIND wegen ihrer schönen Stimmen... Ganz so einfach ist es hier allerdings nicht, denn 'TENDER' gibt sich zu größeren Teilen ziemlich songorientiert, und dabei klingt die Stimme von TOM REDECKER dann schon irgendwie unrund. Um so schöner sind die Gitarren, denen auch ausgiebig Raum zugestanden wird. Am besten gelingt dies beim wunderbaren 'BRICKS OF TIME', das sich auch auf - sagen wir mal - HAWKWINDs Klassiker 'HALL OF THE MOUNTAIN GRILL' nicht schlecht gemacht hätte. Wie gesagt: Hippies. -joe (Quelle: http://www.rec-order.de) |